DM 2015: Deutscher Tennis-Oscar für Oscar Otte / Temporeiche Finalspiele
Der Finaltag der 44. Nationalen Deutschen Tennismeisterschaften in Biberach hat temporeiche Finalspiele gesehen. Zunächst hatte sich Anna-Lena Friedsam (BASF TC Ludwigshafen) mit einem souveränen 6:0, 6:1 gegen Katharina Hobgarski (Tenniszentrum Sulzbachtal) ihren zweiten Meistertitel nach 2013 gesichert, zum Abschluss drosch sich Oscar Otte gegen Jan Choinski (beide Kölner HTC Stadion Rot-Weiss) förmlich zum Sieg.
Großen Zuspruch erfuhr aber auch das zwischengeschobene Endspiel der Deutschen Rollstuhltennisspieler. Hier verteidigte Steffen Sommerfeld (Berlin) seinen Vorjahrestitel. Obwohl die Deutschen Meisterschaften diesmal zwei Tage weniger als 2014 dauerten, konnte Turnierdirektor Rolf Schmid bei dieser siebten Ausgabe der Deutschen Meisterschaften in Biberach einen neuen Zuschauerrekord vermelden. Weit mehr als 4000 Besucher hatten den Weg in den WTB-Bezirksstützpunkt gefunden.
Katharina Hobgarski (Tenniszentrum Sulzbachtal) hat gewusst, welch schwere Aufgabe auf sie im Finale dieser 44. Deutschen Tennismeisterschaften warten würde. „Ich hatte bisher zwei Mal gegen Anna-Lena Friedsam gespielt, und zwei Mal eine Klatsche bekommen“, gab sie nach ihrem umkämpften Halbfinale gegen die Lokalmatadorin Anna Zaja (TEC Waldau Stuttgart) offenherzig zu Protokoll. Den Traum vom Double – nämlich dem Gewinn des nationalen U18-Titels vor wenigen Wochen und nun jenem bei den Aktiven – musste die Außenseiterin jedoch recht schnell begraben. Die drei Jahre ältere Friedsam (WTA 95), Deutsche Meisterin des Jahres 2013, machte von Beginn an mit viel Druck deutlich, dass sie heiß war auf ihren zweiten Titel. Hobgarski konnte einem da fast ein wenig leid tun. Auch wenn ihr erst im zwölften Spiel ein dadurch umso mehr bejubelter Spielpunkt gelang, sie kämpfte bis zuletzt. „Anna-Lena hat heute ihr bestes Tennis gespielt, und ich wollte dieses Finale genießen“, ließ Hobgarski nach einer für sie dennoch starken Woche in Biberach den Kopf keinesfalls hängen.
Friedsam hat sich mit ihren Leistungen bei diesen Deutschen Meisterschaften nun für das Fed-Cup-Team empfohlen. „Wenn ich dieses Niveau halten kann, sehe ich optimistisch in meine Zukunft. Entscheidend wird sein, das zuletzt mit meinem Coach Sascha Müller Trainierte weiterhin auf den Platz zu bringen. Die Deutschen Meisterschaften hier waren jedenfalls eine gute Gelegenheit, vor den anstehenden Aufgaben in China und dann Australien Fahrt aufzunehmen. Das hat sich heuer sicherlich auch daran gezeigt, dass mit mir vier Top-100-Spielerinnen am Start waren“, sagte die 21-jährige neue Deutsche Meisterin. Als das für sie schwerste Match im WTB-Bezirksstützpunkt bezeichnete sie das Halbfinale gegen Julia Görges (7:6, 6:4). Friedsams Leistungen wurden von Bundestrainerin Barbara Rittner positiv registriert: „Der Sprung ins Fed-Cup-Team ist möglich“, sagte sie. Gefallen hat ihr aber auch das Auftreten der ebenfalls dem Porsche Talent Team Deutschland angehörigen Hobgarski. Randnotiz: alle Siegerinnen der letzten Jahre gehörten diesem Talentpool an, wie DTB-Vizepräsident Peter Greiner bei der Siegerehrung anmerkte.
Nach den kurzfristigen Absagen von Matthias Bachinger (TK Kurhaus Aachen) und Maximilian Marterer (SC Uttenreuth) beherrschte der 22-jährige Kölner Oscar Otte (DTB 24/ATP 480) nicht nur die obere Hälfte des Herren-Tableaus, sondern am Ende auch das Finale gegen seinen 19-jährigen Vereinskameraden Jan Choinski (DTB 30/ATP 447), der unter anderem Philipp Petzschner (TK Kurhaus Aachen) ausgeschaltet hatte. Otte machte nicht nur mit seinen geschätzt durchschnittlich weit über 200 km/h schnellen Aufschlägen Druck, sondern drückte auch während der Ballwechsel dem Spiel seinen Stempel auf. Nach Verwandlung seines zweiten Matchballs zum 6:3, 6:1 schrie er sich seine Freude mit Blick in die Live-Stream-Kamera von der Seele, wusste er doch, dass nicht nur die Familie, sondern auch ein für ihn besonderer Mensch viral mitgefiebert hatten. „Das fühlt sich sehr gut an“, meinte er zum erstmaligen Gewinn des Deutschen Tennis-Oscars. Nach drei Siegen bei ITF-Turnieren in Belgien und seiner aktuell guten Form ist Otte guter Dinge, 2016 auf der Challenge-Tour von sich reden zu machen und 2017 dann bei den Qualifikationsturnieren der Grand-Slam-Turniere dabei sein zu können. Dass im Endspiel kein Coach auf der Bank saß, hatte einen ganz simplen Grund: beide werden von Alexander Flock trainiert.
Eingebettet in den Finaltag der Deutschen Tennismeisterschaften in Biberach war zum zweiten Mal das Endspiel der Deutschen Rollstuhltennismeisterschaften der Herren. In Burgau bei Günzburg hatten sich die zehn Teilnehmer an zwei Tagen in Gruppenspielen miteinander gemessen, Titelverteidiger Steffen Sommerfeld (Berlin) und Peter Seidl (Passau) qualifizierten sich hier für das Endspiel – und dürften gewusst haben, warum nach drei Turniertagen der Schlagarm schmerzte. Das Publikum sah mit ihnen zwei ruhige Spielertypen mit viel Erfahrung auf dem Platz, die auch auf internationalem Parkett gesammelte Routine von Sommerfeld mag am Ende den Ausschlag gegeben haben. Mit dem 6:4, 6:7, 10:3 sicherte er sich nach 2009, 2011, 2012 und 2014 seinen fünften Deutschen Meistertitel. In Burgau hatte er sich zuvor bereits den Doppeltitel mit Toni Dittmar (Hannover) geholt. Seidl blieb an der Seite des Vorjahresfinalisten Sven Hiller (Berlin) auch hier nur zweiter Sieger. Bei der Siegehrung lobte Josef Rief, Bundestagsabgeordneter aus Biberach, das Engagement von DTB und WTB, dem Rollstuhltennissport wiederholt eine Plattform geboten zu haben: „Dies ist ein grandioser Gewinn für diese Meisterschaft.“
Tags zuvor war bereits die erste Meisterentscheidung in Biberach gefallen. In der nach 2010 wiederbelebten Mixedkonkurrenz holten sich Carina Witthöft (Der Club an der Alster) und Yannick Hanfmann (TC Weinheim) gegen das Duo Antonia Lottner (TEC Waldau Stuttgart)/Johannes Härteis (1. FC Nürnberg) den Sieg.
„Aus dem kleinen Pflänzchen ist inzwischen ein hübscher Baum geworden, und wir haben hier auch heuer wieder großartigen Sport erleben dürfen“, meinte WTB-Präsident Ulrich Lange über die mittlerweile zum siebten Mal in Biberach ausgerichteten Deutschen Tennismeisterschaften. Die Leistungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber auch die reibungslose Organisation im Hintergrund unter der Leitung von Turnierdirektor Rolf Schmid und seiner Helfermannschaft haben der Veranstaltung einen neuen Teilnehmerrekord beschert. „Allein schon die Kulisse und gute Atmosphäre in der Halle sind einer der Hauptgründe, warum viele Spielerinnen hier melden“, bekannte Bundestrainerin Barbara Rittner. Wenn im nächsten Jahr dann zur 45. Deutschen Meisterschaft eingeladen wird, wird sie ganz sicher wieder vor Ort sein, um die Weiterentwicklung ihrer Schützlinge zu beobachten.
Alle weiteren Informationen und Ergebnisse sind unter www.dtb-tennis.de/DM zu finden.